Donnerstag, 5. Februar 2015
360 - Der fremde Mann
Gestern Nachmittag ist der Vater meiner Mutter, also mein Großvater, gestorben. Er war jetzt lange Zeit krank und es war auch eigentlich nur noch eine Frage der Zeit bis es passiert. Seit feststeht, dass er sterben wird und dass es nicht mehr lange dauert, denke ich über ihn nach.

Meine Mutter hatte nie ein gutes Verhältnis zu ihren Eltern. Das lag mehr an ihnen und an dem was sie als Kindererziehung verstanden. Meine Mutter entsprach einfach nie ihren Vorstellungen. Warum ist mir bis heute ein Rätsel, denn wenn ich ein Elternteil meiner Mutter wäre, wäre ich unglaublich stolz. Sie hat uns großgezogen und immer unterstützt. Sie war immer für uns da. Und trotzdem hat sie früh wieder angefangen zu arbeiten, hat noch richtig Karriere gemacht und war erreicht. Das sehen meine Großeltern aber nicht, wollen es auch gar nicht sehen.

Mein Großvater war uns immer fremd, wollte mit uns auch nicht wirklich was zu tun haben. Im Nachhinein betrachtet wirkt es so, als hätte er Angst vor Kindern gehabt. Wir waren zu laut, zu unberechenbar und zu chaotisch. Und dabei waren wir keinesfalls Kinder, die über Tische und Bänke gegangen sind, sondern brave Mädchen, die mit ihrem Buch auf dem Sofa gesessen haben. Sicherlich haben wir auch mal miteinander gespielt oder auch getobt, aber soweit ich mich erinnere nie bei meinen Großeltern.

Irgendwann ist der Kontakt zu ihnen vollkommen abgebrochen. Irgendwas stand zwischen ihnen und meiner Mutter. Nach mehr als zehn Jahren konnte keiner mehr sagen was und so vertrug man sich wieder. So ein bisschen zumindest. Sicherheitshalber wurden wir aber schon enterbt, geizig ist mein Großvater nämlich auch gewesen.

Alles eigentlich Gründe nicht traurig zu sein, dass ich nie einen richtigen Kontakt zu ihnen und besonders zu meinem Großvater hatte. Und trotzdem stimmt es mich traurig. Ich sehe meinem Großvater ähnlich und habe auch einige Wesenszüge von ihm geerbt. Außerdem verband uns eigentlich ein gemeinsames Hobby, das Fotografieren. Trotzdem war er nie bereit sich zu öffnen und uns bzw. mich an sich ranzulassen. Es ist schade, ich kann es aber nicht ändern.