Mittwoch, 12. Oktober 2016
965 - Von der großen Welt träumen
Wenn man Bahn fährt bekommt man so einiges mit, denn Leute erzählen ihre Lebensgeschichten gerne und lautstark. Jetzt nicht mir, ich hab ja auch eigentlich immer ein Buch vor der Nase, aber Freunden oder Menschen am Telefon erzählen sie es. Heute saßen mir zwei Jugendliche gegenüber, 12. Klasse anscheinend. Und sie träumten von ihrer Zukunft und stellten sich das ganz toll vor. Vor allem der Junge hatte unglaublich hohe Erwartungen und schien jetzt schon einen bestimmten Lebensstandard zu haben. Er würde sich ja schon auf seinen ersten Gehaltsscheck freuen, dann würde er sich auf jeden Fall erstmal einen richtigen Anzug kaufen. Das könne er ja jetzt noch nicht, er hat nämlich nur einen Nebenjob neben der Schule und macht noch eine Ausbildung zum Finanzberater. Da verdient er auch noch ein bisschen was. Sein Zeugnis scheint nicht ganz so gut zu sein, so zumindest hörte es sich bei dem Gespräch an. Und er überlegte wohl nach dem Abi eine Ausbildung zu machen, irgendwo im Finanzsektor. Aber auch da verdient man nicht das große Geld, zumindest nicht zu Beginn.

Ich frag mich manchmal, was für überzogene Vorstellungen viele haben. Klar, Herr Baehr und ich dachten auch, dass wir viel mehr verdienen können, nachdem wir unseren Abschluss in der Tasche hatten. Wir verdienen jetzt nicht schlecht, aber sicherlich nicht gut, ziemlich durchschnittlich. Das ist ja nicht schlimm, wir leben ganz gut davon. Aber woher kommen diese überzogenen Erwartungen? Meine Mutter sagte einmal, dass wir die erste Generation sind, die "ärmer" ist als ihre Eltern. Ganz unrecht hat sie da nicht, ich glaube viele denken, dass sie noch genauso schnell so viel verdienen können, wie es die Eltern tun. Das ist aber heute nicht mehr wirklich machbar, denke ich. Zumindest nicht, wenn man neben der Arbeit noch leben möchte. Und sein wir mal ehrlich, das ist doch viel wichtiger als Geld.