196 - Mut haben einzugreifen
Die ganze Zeit geistert in meinem Kopf noch ein Erlebnis von Samstag herum. Herr Baehr und ich waren bei dem Grillfest meiner Arbeit. Das ganze fand in einem öffentlichen Park statt. Dort gibt es einen Kiosk, an dem man Tische und Bänke leihen kann, Bier kaufen kann und auch zur Toilette gehen kann.

Kurz vorm Ende der Veranstaltung beschlossen Herr Baehr und ich schnell zu dem Kiosk zur Toilette zu gehen und kamen sozusagen mitten in eine Schlägerei rein, die direkt davor stattfand. Ich war froh, dass Herr Baehr dabei war, merkte aber, dass ihm das ganze auch nicht geheuer war. Jetzt ist Herr Baehr ja sehr gut gebaut, also eher kräftig, aber auch nicht so der Typ, der voranprescht und sich in eine Schlägerei einmischt.

Erschreckend fand ich, dass bis auf einen Mann, der versuchte halbherzig einzugreifen, alle anderen Kioskgäste drumherum saßen und zuschauten. Alle natürlich schon leicht angetrunken und mit Bier in der Hand. Gesagt hat keiner was, getan auch nicht. Herr Baehr und ich beratschlagten kurz, was wir machen sollten, da kam von der Seite eine Frau und rief, sie würde jetzt die Polizei anrufen. Das brachte kurz Bewegung in die Sache, an der Polizei war wohl keine der Gestalten dort sonderlich interessiert. Da die Schlägerei aber weiterging, rief die Frau bei der Polizei an.

Tatenlos zusehen wollte ich auch nicht, traute mich aber nicht dazwischen zu gehen. Und Herrn Baehr zu schicken, der auch Angst hatte, fand ich nicht ok. Also rief ich von weitem schön laut, dass es jetzt langsam mal genügen würde. Das machte eine Joggerin auf das ganze Aufmerksam, die sich mir anschloss und auch rief, dass es genügen würde und endlich mal jemand einschreiten sollte. Tatsächlich wurden dann ein paar Männer aktiv und trennten die beiden. Wohl nur für kurze Zeit, denn von weitem konnten wir kurz darauf sehen, dass sie wieder angefangen hatten. Zum Glück kam dann irgendwann die Polizei und auch ein Krankenwagen und beendete das ganze.

Trotzdem frage ich mich jetzt die ganze Zeit, ob wir richtig gehandelt haben. Ich bewundere die Frau, die die Polizei gerufen hat, obwohl ihr von den anderen Leuten gedroht wurde sie solle bloß nicht die Polizei rufen. Das war auf jeden Fall mutig und richtig. War es aber genug, dass ich "nur" gerufen habe? Ist es in Ordnung, dass Herr Baehr sich gar nicht rantraut, obwohl er es mit Sicherheit kräftemäßig schaffen würde? Eigentlich ja, eigentlich aber auch nicht. Ich bin mir nicht sicher.




kelef am 25.Aug 14  |  Permalink
körperlich eingreifen darf man nur dann, wenn die innere einstellung entsprechend ist. "hinhauen können" ist etwas ganz anderes als "hinhauen trauen" und "hinhauen so dass es richtig wehtut" oder "hinhauen so dass es richtig wirkt". gott sei dank haben die meisten menschen eine natürlich hemmschwelle davor, körperliche gewalt einzusetzen.

manchmal kann eine rauferei schon dadurch geschlichtet werden, dass ein entsprechend entschlossen daherkommender mensch auf sich aufmerksam macht. im unterbewusstsein blinkt dann oft ein licht auf das sagt "vorsicht, der mensch muss was können/wissen/haben wenn er so daherkommt".

funktioniert aber nur, wenn kein alkohol im spiel ist.

daher: alles richtig so. sonst ist man schneller als man "aua" sagen kann der einzig wirklich verletzte. und die anderen reden sich fröhlich darauf aus dass sie ja die angegriffenen waren, und überhaupt nix dafür könnten. und überhaupt hätten sie gerne ein ordentliches schmerzensgeld (für die blauen augen, die sie sich vorher gegenseitig gekloppt haben). mit ein bisserl zusätzlichem pech sind die anderen angetrunkenen dann noch jeweils mit den raufenden verwandt und sagen zu deren gunsten aus (gegen beteiligung am schmerzensgeld).

alles schon dagewesen.

frau_baehr am 26.Aug 14  |  Permalink
Danke für die Bestärkung. Manchmal ist es wahrscheinlich wirklich besser nur verbal einzugreifen und sich selbst zu schützen. Ich weiß wenigstens, dass ich nicht ganz untätig war.