734 - Wir haben ein Schreibaby
Bisher dachte ich, dass ich vielleicht etwas empfindlich bin und einfach nicht belastbar. Jetzt weiß ich aber, dass es nicht ich bin, sondern das Baehrenkind. Das ist nämlich ein Schreibaby, zumindest laut Definition. Da genügt es schon, dass das Kind an drei Tagen die Woche mehr als drei Stunden schreit und das in drei Wochen oder mehr. Drei Stunden schafft das Baehrenkind locker jeden Tag und das seit der Geburt. Es spitzt sich eigentlich auch immer mehr zu. Richtig geschlafen haben Herr Baehr und ich seit der Geburt nicht mehr, die letzten Nächte haben wir uns aufgeteilt. Einer schläft, der andere versucht irgendwie das schreiende und um sich schlagende Bündel zu beruhigen. Das gelingt eher weniger als mehr. Die Hebamme weiß so langsam auch nicht weiter, sie meinte so Kinder wie das Baehrenkind hätte sie selten.
Irgendwie ist das doch richtig scheiße. Ich habe mir so sehr ein Kind gewünscht und jetzt sitze ich oft da, schaue sie an, knallrot und mit zugegniffenen Augen und aufgerissenem Mund, und wünsche mir mein altes Leben ohne Kind zurück. Oder ein Kind, dass mir nicht dauerhaft das Gefühl gibt mich zu hassen. Tut sie wahrscheinlich gar nicht. Es ist so schwer. Und es ist auch so schwer für Herrn Baehr und mich. Ich weiß nicht wann wir uns das letzte Mal geküsst haben. Wann wir uns mal in den Arm genommen haben oder einfach mal miteinander gesprochen haben.
Dazu kommt meine Angeschlagenheit, die uns ans Haus fesselt. Spazieren gehen geht, aber nicht zu weit. Ich schaffe grade mal eine Viertelstunde im Schneckentempo. Soziale Kontakte sind auch schwierig. Wir laden zwar Leute zu uns ein, müssen dann aber immer wieder absagen, weil ich nicht kann. Ich bin so froh, wenn das endlich vorbei ist und es wenigstens mir wieder normal geht. Dann habe ich vielleicht auch wieder mehr Kraft für mein Brülläffchen.