627 - Geburtsvorbereitungskurs – Teil 4
Der erste Abend mit den Männern. Herr Baehr hatte keinerlei Erwartungen und war auch nicht aufgeregt, wie er mir vorher auf Nachfrage mitteilte. Manchmal finde ich das ja schade, aber ich glaube Männer ticken da anders als Frauen. Und dann ticken viele Menschen nochmal ganz anders als ich und machen sich nicht über alles Gedanken.

Der Kurs begann dann mit besorgniserregenden Nachrichten. Zwei der Frauen liegen im Krankenhaus, die eine mit Blasensprung und das vor der 30. Woche, die ander mit einem verkürzten Gebärmutterhals. Gerade bei der Frau mit Blasensprung kann man nur hoffen, dass das kleine Wesen noch eine ganze Weile durchhält, bevor es auf die Welt kommt.

Nachdem diese Nachrichten kurz verdaut waren, erzählte die Hebamme ein wenig zum Ort der Geburt und wie sich das im Verlauf der Geschichte entwickelt hat. Früher wurden alle Kinder zu Hause geboren, kennt man ja auch aus historischen Romanen z.B.. Damals war die Hebamme auch noch viel wichtiger, als sie es heute ist. Jede Frau wurde durch die gesamte Schwangerschaft von einer Hebamme begleitet, das ist heute oft nicht mehr so und auch für die wenigen Hebammen, die es gibt, kaum zu leisten. Ich kann mich sehr glücklich schätzen eine Hebamme gefunden zu haben, die den Anspruch hat genau das zu leisten.

Anfang des letzten Jahrhunderts wurde es üblich, dass die Frauen zur Entbindung ins Krankenhaus gingen bzw. dort hin gelockt wurden. Die Ärzte waren daran interessiert verschiedene Dinge an den Frauen und den Neugeborenen zu testen und versprachen Sicherheit. Auch heute ist die Sicherheit, die ein Krankenhaus vermeintlich bietet, immer noch der ausschlaggebende Punkt für viele Frauen zur Geburt ins Krankenhaus zu gehen. Ich nehme mich da nicht aus, fühle mich dort mit dem Herzfehler einfach am sichersten.

Auch dass die Männer mit in den Kreißsaal kommen ist noch gar nicht so lange üblich. Ich weiß, dass mein Vater bei meiner Geburt dabei war. Herr Baehr ist sich bei seiner nicht sicher, das fragen wir bei Gelegenheit nochmal nach. Die Hebamme wollte dann wissen, ob die Männer mit in den Kreißsaal gehen möchten und welche Erwartungen und vielleicht auch Ängste sie haben. Außerdem bat sie die Männer, die schon bei einer Geburt dabei waren, davon zu berichten. Wir Frauen sollten sagen, warum wir wollen, dass die Männer mitkommen oder eben nicht, falls das der Fall sein sollte.

Herr Baehr war zu dem Zeitpunkt plötzlich ziemlich nervös, ich nehme an, dass er erwartet hatte nichts sagen zu müssen an diesem Abend. Außerdem, so erklärte er mir das hinterher, habe er sich noch gar keine Gedanken gemacht. Für ihn hätte festgestanden, dass er mitgeht, warum weiß er aber gar nicht so genau. So war es auch gut, dass wir nicht als erstes etwas sagen mussten und Herr Baehr Zeit hatte sich anzuhören, was die Männer vor ihm sagten. Ich denke, dass wir das Thema aber noch einmal besprechen müssen, ganz in Ruhe, den auch für ihn soll es ein positives Erlebnis sein.

Für mich gibt es zwei Gründe, warum ich gerade ihn dabei haben möchte. Herr Baehr kennt mich, wahrscheinlich kennt er mich mittlerweile besser als meine Mutter, weil ich mich ihm gegenüber viel mehr öffne. Er weiß genau wie schwer es mir fällt die Kontrolle abzugeben. Ich befürchte aber, dass ich das irgendwann während der Geburt tun muss und meinen Instinkten folgen muss. Dann bin ich froh, wenn er da ist und genau weiß, was ich brauche und was mir wichtig ist und vor allem auch, was ich gar nicht möchte.

Der zweite Grund ist die Bindung, die mit dem Kind direkt nach der Geburt passieren soll. Es hat eine gewisse Bindung zu mir, es hört meinen Herzschlag Tag und Nacht und auch meine Stimme immer wieder. Es weiß genau, wie es sich anhört, wenn mein Magen verdaut oder ein Pups sich seinen Weg bahnt. Von Herrn Baehr kennt es die Stimme und die warmen Hände, das aber nur gedämpft durch den Bauch hindurch. Mir ist es unglaublich wichtig, dass er auch die ersten Momente mit dem Baehrenkind verbringen kann, es auf seiner nackten Haut fühlen kann, es streicheln, küssen und einfach nur liebhaben kann. Außerdem fände ich es sehr schön, wenn das Kind von ihm versorgt wird und nicht von einer Hebamme. Ich werde dazu ja wahrscheinlich nicht in der Lage sein.

Nachdem die Runde beendet war, berichtete die Hebamme vom Geburtsverlauf, von den Wehen und wie sich das alles für einen Außenstehenden anfühlt. Ich denke das hat Herrn Baehr auch noch einmal geholfen zu wissen, was genau auf ihn zukommt. Außerdem hatte die Hebamme ein paar wichtige Tipps für die Männer, z.B. was sie sagen können und was sie besser lassen sollten. Niemals sollte ein Mann sagen, dass es doch nicht so schlimm wäre, wenn die Frau vor Schmerz wimmert. Oder sagen, dass die Wehe ja nur eine Minute dauern würde, für eine Frau kann sich das wohl wie Stunden anfühlen. Ich glaube ja nicht, dass Herr Baehr das jemals tun würde. So gut glaube ich ihn doch zu kennen, ich denke mal, dass er still mit mir mitleiden wird und einfach nur für mich da ist. Und genau das brauche ich auch.

Ganz zum Schluß zeigte die Hebamme anhand eines Bildbandes wie die Geburt für das Kind verläuft, wie es zu Beginn der Geburt liegt und sich dann den Weg durch den Geburtskanal sucht bzw. genau weiß wo es lang muss. Lange glaubte man, dass die Kinder bei der Geburt passiv sind. Heute weiß man, dass sie aktiv mithelfen, sich abdrücken und sich eindrehen, damit sie die optimale Haltung haben. Auch über die Nachgeburt, also die Plazenta, sprach sie kurz. Wenn man wolle, könne man die sich anschauen. Für viele Männer wäre das sehr interessant, andere würden das nicht wollen. Ich glaube Herr Baehr gehört eher zu letzteren.

Nächste Woche haben wir dann den zweiten Partnerabend, dann mit Übungen. Dort geht es auch um Geburtspositionen, was ich sehr interessant finde. Bisher haben in meiner Vorstellung Frauen Kinder immer im Liegen bekommen, was ja absoluter Quatsch ist.